Wer nicht will, findet Gründe. Wer will, findet Wege.

Schuldruck: Bin ich in meiner Familie dafür verantwortlich?

10-2019 | Familie, Schule und Lernen

Zugegebenermaßen ist es nicht leicht, sich von dem gesellschaftlichen Druck bezüglich der schulischen Laufbahn deines Kindes zu befreien, doch genau das solltest du deinem Kind zuliebe tun! Oft geht es schon in der dritten Klasse los, dass sich die Kinder gegenseitig aufstacheln und fragen „auf welches Gymnasium gehst du mal?“ So entsteht Schuldruck.

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Bitte, bitte, mach dich vom Schuldruck frei! Nur so kannst du es schaffen, dein Kind diesen Druck gar nicht erst spüren zu lassen. Wenn es für dich selbst ein Thema ist, ob dein Kind die Gymnasialempfehlung bekommt oder nicht, wirst du diese Erwartung kaum vor deinem Kind verbergen können. Bleibe gelassen!

Natürlich wollen wir, dass unsere Kinder das aus sich holen, was in ihnen steckt und sie ihr Potential optimal ausschöpfen.

Das ist ja völlig normal! Es ist aber eben eine feinfühlige Gratwanderung für uns als Eltern und manchmal eine Frage des richtigen Zeitpunkts. Dazu später mehr.

Schuldruck durch Gesellschaft und Schulsystem

Unser deutsches Schulsystem mag durchaus kritisch gesehen werden, vor allem der wirklich sehr anspruchsvolle G8 Gymnasialzug. Doch der große Vorteil unseres Schulsystems besteht in seiner Durchlässigkeit.

Der Weg, der nach der 4. Klasse eingeschlagen wird muss keinesfalls der letzte sein. Viele Kinder können mit dem großen Tempo, das die Schule früh vorgibt, nicht mithalten. Manche sind verspielter, haben vielleicht noch nicht so den organisatorischen Überblick, können noch nicht so lange still halten und haben vielleicht sogar „den Ernst“ der Schule noch gar nicht so richtig verstanden.

Warum soll man diesen Kindern denn nicht einfach mehr Zeit geben, statt ihnen durch Schuldruck schon früh die Lust an der Schule und am Lernen zu verderben? Was erreichen wir mit zu viel Druck? Meist doch nur Gegendruck. Wenn ich dich an deinem Ärmel ziehe, wirst du dagegen ziehen.

Warum müssen wir unsere Kinder alle im gleichen Tempo durch die Schule peitschen?

Und warum müssen alle Akademiker werden? Wer sagt, dass unser Kind nicht vielleicht viel glücklicher mit einer Schreinerlehre oder einer Ausbildung zur Floristin wäre? Wer weiß das schon!?

Weniger Schuldruck? Ein verspielter Junge geht seinen Weg

Als ich Klassenlehrerin einer fünften Klasse war, hatte ich einmal einen ganz lieben und goldigen Schüler. Aus Lehrersicht war er „leider“ noch sehr verspielt und verträumt. Er war jedes Mal der Letzte, weil er hingebungsvoll seine Stifte in sein Mäppchen nach Farben einsortierte, während alle anderen Kinder das Klassenzimmer längst verlassen hatten.

Ich stand in der Türe und wartete auf ihn, weil ich das Klassenzimmer abschließen musste. Vor der Sporthalle stand schon eine andere Klasse, die bereits auf mich wartete und denen ich wieder aufschließen musste.

Mit blieb nichts anderes übrig, als den Jungen etwas anzutreiben.

Diese Art spiegelte sich in anderen Bereichen wieder. Er bekam oftmals nicht mit, welches Buch aus dem Ranzen geholt werden sollte, wurde in Klassenarbeiten nicht fertig oder brauchte länger beim Abschreiben von der Tafel.

Seine Mutter suchte das Gespräch zu mir. Sie wollte von mir wissen, ob ihr Sohn von der Schule überfordert sei? Diese Frage konnte ich nicht eindeutig mit Ja beantworten. Zwar war offensichtlich, dass ihm das organisatorische Tempo zu schaffen machte, doch dass er intellektuell oder fachlich überfordert sei, konnte ich nicht bestätigen.

Ich sagte der Mutter, dass ich es ihrem Sohn durchaus zutrauen würde sein Abitur zu schaffen, doch wäre für mich auch offensichtlich, dass er nicht sehr glücklich hier auf dem Gymnasium sei.

Die Mutter war erleichtert, dass ich das sagte, weil sie über einen Schulwechsel auf die Realschule nachgedacht hatte. Als sie das sagte, war ich der Mutter wiederum dankbar, dass sie das Wohl ihres Sohnes im Blick behielt, anstatt sich dem Schuldruck zu beugen. Der Junge wechselte auf die Realschule.

Viele Jahre später stellte sich heraus, dass seine Schwester bei mir im Sportunterricht war. Natürlich erkundigte ich mich nach ihrem Bruder. Das Mädchen erzählte mir strahlend, dass er letztes Jahr sein Abitur gemacht habe.

Das freute mich wirklich sehr und es bestätigte mich in meiner Ansicht, dass es nicht schadet, in jungen Jahren den Kindern den Schuldruck zu nehmen. Dieser Junge hatte einen anderen Weg eingeschlagen, der ihn auch an sein Ziel gebracht hatte. Für ihn war es der passendere Weg gewesen. Das ist der Vorteil unseres Schulsystems!

Alle wollen doch nur das „Beste“

Natürlich ist es selbstverständlich, dass Eltern nur das Beste für ihr Kind wollen. Die Situation wird umso verfahrener, wenn für uns als Eltern offensichtlich ist, dass sich unsere Kinder „unter ihren Möglichkeiten“ bewegen. Da ist es doch nur normal, dass wir „das Beste aus ihnen rausholen“ wollen. Dabei stellt sich die Frage: Wie gehe ich dabei vor?

Das eine Kind braucht mehr Druck, um in die Puschen zu kommen, bei dem anderen Kind tritt bei Schuldruck das genaue Gegenteil ein und es verfällt in eine Verweigerungshaltung.

Beim dritten Kind ist es vielleicht sogar so, dass es sich gar nichts anmerken lässt und still vor sich hin leidet. Erst, wenn körperliche Symptome dazu kommen, lässt sich nicht mehr verbergen, dass etwas nicht stimmt. Doch was genau ist es, was dein Kind so unglücklich, lustlos, still, zurückhaltend, ängstlich oder unsicher macht?

Wie kann ich Fehler und Schuldruck vermeiden?

Viele Eltern sind durch diese Fragen verunsichert. Ein Patentrezept vermag der beste Elternratgeber nicht zu geben, weil jedes Kind einzigartig und anders ist. Dennoch gibt es feinfühlige Vorgehensweisen, mit denen wir unser Kind auf jeden Fall unterstützen können:

Glaube daran, dass dein Kind seinen Weg finden wird.

Manch einer bevorzugt den direkten und schnellsten Weg ans Ziel, ein anderer verweilt gerne links und rechts des Wegesrandes und geht sogar gerne einen kleinen Umweg, um unterwegs noch mehr erleben zu können.

Zeige deinem Kind, dass es noch viele andere tolle und wichtige Dinge im Leben gibt und nicht alleine die schulischen Leistungen entscheidend sind.

Werte wie Ehrlichkeit, Zuverlässigkeit, Mitgefühl, Toleranz uvm. sollten in unserer Gesellschaft einen mindestens genauso großen Stellenwert einnehmen. Wenn sich dein Kind ausschließlich über seine Leistung in der Schule definiert ist es nicht verwunderlich, dass sein Selbstwertgefühl stark leidet, wenn es in der Schule nicht läuft.

Finde in feinfühligen und ernsthaft aufmerksamen Gesprächen mit deinem Kind heraus, was es selbst möchte.

Wenn ihr an diesem Punkt nicht weiter kommt, weil ihr merkt, dass ihr beide in euren Rollen gefangen seid und die Erwartungen des Gegenüber nicht enttäuschen möchtet, kann euch eine neutrale Person, wie ein Kinder- und Jugendcoach zum Beispiel, dabei helfen. Meistens reichen wirklich schon wenige Coaching Sitzungen dafür aus.

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Ich bin Silke Krämer.

Kinder- und Jugendcoach Professional, NLP Master und Coach, EMDR Traumatherapeutin und Gymnasiallehrerin

Ich helfe Familien, wenn es Schulstress gibt und daheim die Fetzen fliegen. Außerdem unterstützte ich Mütter und Väter dabei, sich den Herausforderungen des Familienlebens selbstbewusst zu stellen.

Als Trainerin für Reflexintegration helfe ich deinem Kind, damit ihm die Schule bei Konzentrations­schwächen, Lern- und motorischen Problemen leichter fällt.

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