So hängen ADHS und frühkindliche Reflexe zusammen
Wenn der Verdacht besteht, dass dein Kind ADHS hat oder die Diagnose bereits bekommen hat, stehst du als Mutter oder als Vater vor vielen neuen Herausforderungen. Du fragst dich vielleicht: Woher kommt das? Was bedeutet das für unseren Alltag? Was können wir nun tun? Während es zahlreiche Informationen über Strategien zur Bewältigung der Symptome gibt, wird eine entscheidende Dimension oftmals übersehen: die Rolle frühkindlicher Reflexe.
In diesem Artikel bringe ich euch als Eltern die Zusammenhänge zwischen ADHS und nicht vollständig integrierten frühkindlichen Reflexen näher. Ich erkläre spezifische Reflexe, deren Auswirkungen und biete dir praktische Tipps zur Reflexintegration und Stressreduktion an.

Was sind frühkindliche Reflexe?
Frühkindliche Reflexe, auch primitive Reflexe genannt, sind automatische Bewegungsmuster, die in der frühen Kindheit auftreten und in den meisten Fällen innerhalb der ersten Lebensmonate integriert werden. Diese Reflexe sind evolutionär bedingt und sichern das Überleben eines Neugeborenen. Zum Beispiel sorgt der Suchreflex dafür, dass ein Baby die Brust oder Flasche findet. Der Greifreflex hilft ihm, sich festzuhalten, und der Schluckreflex sorgt dafür, dass der Säugling automatisch Nahrung schluckt, sobald sie seinen Mund innen berührt.
Diese Reflexe sind wie kleine „Programme“ im Nervensystem, die in der frühen Entwicklung aktiviert und dann im besten Fall nach und nach „integriert“ werden. Das bedeutet: Das Gehirn lernt, diese automatischen Reaktionen zu hemmen, weil sie im späteren Alltag nicht mehr gebraucht werden. Diese Hemmung ist vor allem Aufgabe des Frontallappens, also des Bereichs im Gehirn, der auch für Konzentration, Planung, soziale Kompetenz und Impulskontrolle zuständig ist.
ADHS, Impulskontrolle und frühkindliche Reflexe
Lass mich dir Impulskontrolle mit einem Beispiel erklären: Stell dir ein Kind vor, das schnell „ausrastet“, scheinbar grundlos losschreit oder einfach nicht zu stoppen ist. Diese Kinder sind nicht „ungezogen“, sondern sie kämpfen schlicht mit einem Gehirn, das Reize nicht so filtern kann wie bei anderen Kindern. Mehr zu frühkindlichen Reflexen erfährst du in meinem Blogartikel „Frühkindliche Reflexe – auf den Punkt gebracht“ (☛ Hier geht’s zum Artikel)
Manchmal passiert es, dass ein oder mehrere frühkindliche Reflexe nicht vollständig integriert werden. Das kann unterschiedliche Gründe haben, z. B. Entwicklungsverzögerungen, Traumata in der frühen Kindheit oder zu wenig Bewegung in bestimmten Entwicklungsphasen, sowie zu frühes Sitzen oder Gehen mit Unterstützung.
Bleiben Reflexe aktiv, kann das weitreichende Auswirkungen auf das Verhalten, die Konzentration und die körperliche Entwicklung haben. Ein besonders interessanter Reflex in diesem Zusammenhang ist der symmetrisch-tonische Nackenreflex (STNR).
Der STNR unterstützt normalerweise den Übergang vom Krabbeln zum Sitzen. Wenn dieser Reflex aktiv bleibt, kann das Auswirkungen auf Haltung, Koordination und vor allem die Fähigkeit zur Selbstregulation haben.
Kinder mit einem aktiven STNR haben oft Schwierigkeiten, ruhig zu sitzen, den Kopf zu stabilisieren oder ihre Augen ruhig zu führen. All das kann sich auf die Konzentrationsfähigkeit auswirken. Ebenso erschwert ein aktiver Spinaler Galant Reflex das ruhige Sitzen.
Genau hier wird es interessant, denn Studien zeigen Zusammenhänge zwischen einem nicht vollständig integrierten STNR und typischen Symptomen bei ADHS, also einer Aufmerksamkeitsdefizit- / Hyperaktivitätsstörung, wie …
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- Konzentrationsprobleme
- Schwierigkeiten bei der Körperkoordination
- Impulsives Verhalten
- Grob- und feinmotorische Ungeschicklichkeit
- Schwierigkeiten, still zu sitzen
Wenn wir über ADHS und frühkindliche Reflexe sprechen, kommen wir an einem weiteren Reflex nicht vorbei: dem Moro-Reflex. Er ist eine Art „Alarmanlage“ des Körpers und sorgt dafür, dass wir bei Gefahr blitzschnell auf plötzliche Geräusche oder Bewegungen reagieren können. Bei Babys zeigt er sich u.a. durch das plötzliche Ausbreiten der Arme, wenn sie erschrecken oder den Halt verlieren.
Wird dieser Reflex nicht gehemmt, bleibt das Nervensystem in ständiger Alarmbereitschaft. Das sympathische Nervensystem (Fight-or-Flight) ist dauerhaft aktiviert, denn Stresshormone wie Adrenalin, Cortisol und Noradrenalin zirkulieren vermehrt im Blut. Der Körper ist auf „kämpfen, totstellen oder fliehen“ eingestellt. Das Kind ist ständig überreizt, hyperwachsam und nervös. Sinneseindrücke werden ungefiltert und übermäßig wahrgenommen, was Reizüberflutung und emotionale Überreaktionen zur Folge hat.
Viele Experten sprechen in solchen Fällen auch vom „Moro-Kind“, einem Kind, das scheinbar ständig „auf hundertachtzig“ ist, alles mitbekommt, auf Kleinigkeiten überreagiert und schwer zur Ruhe kommt. Diese Symptome können das schulische und soziale Leben erheblich beeinträchtigen.
Studien zu ADHS Symptomen und frühkindliche Reflexen
Die aktuellen Forschungsergebnisse zeigen einen deutlichen Zusammenhang zwischen nicht integrierten frühkindlichen Reflexen und ADHS-Symptomen. Viele Kinder mit ADHS weisen Anzeichen von motorischen Koordinationsstörungen, sensorischen Verarbeitungsproblemen und emotionaler Dysregulation auf. ADHS-Kinder zeigen häufiger aktive frühkindliche Reflexe, was Symptome verstärken oder komplexer machen kann.
Diese Symptome können teilweise durch die anhaltende Präsenz primitiver Reflexe erklärt werden, doch entsteht ADHS nicht allein durch aktive frühkindliche Reflexe. ADHS ist eine eingetragene psychische Erkrankung, die zwar nicht geheilt werden kann, aber sehr gut therapierbar ist, und zwar nicht nur durch Medikamente, sondern z.B. auch durch gezielte Reflexintegrationsübungen, also ein Training zur Reflexintegration.
Das sind Übungen, mit denen man das Nervensystem unterstützen kann, Reflexe nachträglich zu integrieren. Dabei werden durch bestimmte, wiederholte Bewegungsabfolgen die ursprünglichen Muster im Gehirn nochmals durchlaufen, damit das Gehirn die Chance bekommt, sie diesmal zu hemmen.
In meiner Praxis erlebe ich immer wieder, wie sich Alltagsbelastungen deutlich reduzieren lassen, wenn frühkindliche Reflexe nachträglich gehemmt werden. Die Betroffenen haben dann z. B. weniger Wutausbrüche, ein besseres Konzentrationsvermögen und eine bessere Körperkontrolle.
So können wir ADHS Symptomen ganzheitlich begegnen
Durch einen ganzheitlichen Ansatz kann sich das Wohlbefinden deines Kindes erheblich verbessern. Die Unterstützung bei der Reflexintegration kann nicht nur die motorische Kontrolle und das Lernen fördern, sondern auch zur emotionalen Stabilität beitragen. Außer Bewegungsübungen sind u.a. Alltagsstruktur, Resilienzförderung, Stressmanagement und Selbstakzeptanz wesentliche Bausteine.
Um den Alltag zu strukturieren, sind feste Abläufe und Rituale wichtig, die deinem Kind Sicherheit geben. Für eine Resilienzförderung deines Kindes kannst du seine Selbstwirksamkeit und emotionale Stabilität stärken. Stress bekommst du am besten in den Griff, indem du das Nervensystem deines Kindes beruhigst. Für eine wirkungsvolle Selbstakzeptanz ist es wichtig, dass du und dein Kind erkennen:
Niemand ist falsch, nur anders.
Wichtig: Nicht alle Kinder mit ADHS haben aktive Reflexe, und nicht alle Kinder mit aktiven Reflexen haben ADHS. Aber: Beides kann sich gegenseitig verstärken.
Ob frühkindliche Reflexe für dich oder dein Kind eine Rolle spielen, kannst du übrigens über meinen kostenlosen Onlinecheck herausfinden.
Kostenloser Onlinecheck Reflexintegration

Ob frühkindliche Reflexe der Ursprung deiner Sorgen sein könnten, kannst du hier herausfinden.
Du erhältst unmittelbar eine individuelle Auswertung für dein Kind. Der Fragebogen prüft eine Vielzahl von erforschten Symptomen ab, die auf die Aktivität von frühkindlichen Reflexen hindeuten können. Der Check umfasst 105 Fragen in elf Bereichen rund um die Entwicklung deines Kindes.
Du erfährst, wie viele Indikatoren auf aktive Reflexe bei deinem Kind hindeuten und welche frühkindlichen Reflexe möglicherweise noch aktiv sind. Auf Wunsch sende ich dir die Auswertung sofort per E-Mail zu.
Praktische Tipps zur besseren Selbstregulation
Körperliche Übungen: Sportarten wie Schwimmen, Klettern oder Tanzen können die motorischen Fähigkeiten und Koordination deines Kindes verbessern. Für die Integration noch aktiver frühkindlicher Reflexe bedarf es eines gezielten Bewegungsprogramms, das auf die noch aktiven Reflexe abgestimmt ist.
Achtsamkeitsübungen: Führe Achtsamkeitsübungen im Alltag ein, um deinem Kind zu helfen, sich zu entspannen. Atemübungen oder einfache Meditationspraktiken können helfen, innere Ruhe zu finden und emotionale Regulierung zu fördern.
Pausen: Achte darauf, dass dein Kind im Alltag genug Pausen bekommt. Ständiger Input durch sich jagende tägliche Programmpunkte belasten das Nervensystem deines Kindes zusätzlich. Langeweile ist gesund.
Regelmäßige Routine: Schaffe eine konsistente Tagesroutine. Vorhersehbarkeit in den täglichen Abläufen gibt deinem Kind ein Gefühl von Sicherheit und Kontrolle, was Stress und Angst reduzieren kann. Wie einzelne Perlen auf einer Schnur kannst du bestimmte Abläufe bildhaft für dein Kind festhalten, so dass es weiß, was es in welcher Reihenfolge tun soll, z.B. bei der Morgenroutine vom Aufstehen bis zum Verlassen des Hauses.
Ernährung: Achte auf eine ausgewogene Ernährung, die reich an Omega-3-Fettsäuren, Vitaminen und Mineralstoffen ist. Eine gesunde Ernährung kann die neurologische Gesundheit fördern und die Symptome von ADHS verringern.
Schlafhygiene: Sorge dafür, dass dein Kind ausreichend Schlaf bekommt. Ein fester Schlafrhythmus, freie Zeit vor dem Schlafengehen von Bildschirmen und entspannende Aktivitäten wie Lesen können die Schlafqualität verbessern.
Offene Kommunikation: Pflege eine offene Kommunikation innerhalb der Familie. Besprich die Herausforderungen, die dein Kind erlebt, und arbeite gemeinsam an Lösungen, so dass dein Kind lernt, eigenverantwortlich zu handeln und seine Situation nicht einfach hinnimmt nach dem Motto: „Ich bin eben falsch und kann nichts dagegen tun.“
Professionelle Hilfe: Wenn du gefangen bist in deinen Herausforderungen, empfehle ich, professionelle Hilfe von außen anzunehmen, anstatt die Menschen in deinem Umfeld vollzujammern, die nur selten zur Veränderung beitragen können.
Neben den oben genannten Methoden ist es wichtig, ADHS nicht isoliert, sondern im Kontext einer ganzheitlichen Herangehensweise zu betrachten. Das bedeutet, emotionales, physisches und mentales Wohlbefinden miteinander zu verknüpfen.
Zeige Verständnis für die Herausforderungen deines Kindes und ermutige es, Selbstbewusstsein und Selbstwertgefühl zu entwickeln. Positive Verstärkung kann Wunder wirken.

Wenn das Nervensystem in Alarmbereitschaft ist, ist der wichtigste erste Schritt: Beruhigung, und zwar regelmäßig und alltagstauglich. Hier ein paar bewährte Ansätze, die du sofort ausprobieren kannst:
1. Regelmäßige Bewegung – am besten an der Luft
Kinder brauchen Bewegung, um ihr Nervensystem zu regulieren. Besonders hilfreich sind Schaukeln, Hüpfen und Balancieren, also alles, was das Gleichgewichtssystem anspricht. Das können einfach ganz natürliche Bewegungen im Freien sein.
2. Ruhige, wiederholte Bewegungsübungen
Bestimmte Übungen aus der Reflexintegration, wie z. B. die Faultier-Übungen aus meinem Rexi-Kurs, helfen dem Gehirn, sich neu zu organisieren. Sie sind einfach durchzuführen, wirken aber tief.
3. Zuckerarme Ernährung
Zucker – besonders in Form von einfachen Kohlenhydraten – fördert Entzündungen im Körper und beeinflusst den Blutzuckerspiegel. Ein instabiler Blutzucker = instabile Emotionen. Achte daher darauf, dass sich dein Kind mit viel Gemüse, hochwertigen Fetten, Proteinen und komplexen Kohlenhydraten ernährt.
4. Unverträglichkeiten bei Nahrungsmittel prüfen
Einige Kinder mit ADHS reagieren empfindlich auf bestimmte Nahrungsmittel, z. B. Gluten, Milchprodukte oder Zusatzstoffe. Eine gezielte Auslassdiät unter fachlicher Begleitung kann hier wertvolle Erkenntnisse liefern.
Mein Impuls für dich
Wenn du das Gefühl hast, bei deinem Kind (oder bei dir selbst) könnten nicht integrierte Reflexe mit im Spiel sein, dann lohnt sich ein genauer Blick. Manchmal sind es genau diese „unsichtbaren“ Hintergründe, die erklären, warum Alltagsstrategien nicht greifen oder Verhaltensmuster sich nicht „wegtrainieren“ lassen.
Indem du die Integration frühkindlicher Reflexe in den Alltag deines Kindes einbeziehst und einen ganzheitlichen Ansatz verfolgst, kann sich die Lebensqualität deines Kindes verbessern und gleichzeitig den Stress, den ADHS mit sich bringen kann, reduzieren. Beginne schon heute, die ersten Schritte zur positiven Veränderung zu unternehmen, und beobachte, wie dein Kind in einer unterstützenden und liebevollen Umgebung wachsen kann.
Ich ermutige dich, euren individuellen Weg zu finden.
Es gibt nicht den goldenen Schlüssel bei ADHS, aber viele kleine Werkzeuge, die zusammen genommen einen echten Unterschied machen können.
Die Reflexintegration ist eines dieser Werkzeuge. Sie wirkt nicht „gegen“ ADHS, sondern für mehr Selbstregulation, Körpergefühl und Lebensqualität. Und oft ist genau das der Unterschied, der den Alltag leichter macht.
Wenn du mehr zu diesem Thema erfahren möchtest, lies gerne meinen Beitrag über die Hintergründe der Reflexintegration (☛ Hier geht’s zum Artikel). Dort erkläre ich verständlich, wie frühkindliche Reflexe funktionieren und warum es sich lohnt, ihnen Aufmerksamkeit zu schenken.
Wenn du herausfinden möchtest, ob ein Reflexintegrationstraining für dich oder dein Kind hilfreich sein könnte, dann melde dich gerne bei mir für ein unverbindliches Kennenlerngespräch (☛ Hier geht’s zum Terminkalender). Gemeinsam schauen wir auf eure individuelle Situation und überlegen, welche Schritte sinnvoll sind.
Du bist nicht allein. Manchmal braucht es nur den ersten kleinen Schritt in eine neue Richtung.
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Ich bin Silke Krämer.
Kinder- und Jugendcoach Professional, NLP Master und Coach, EMDR Traumatherapeutin und Gymnasiallehrerin
Ich helfe Familien, wenn es Schulstress gibt und daheim die Fetzen fliegen. Außerdem unterstützte ich Mütter und Väter dabei, sich den Herausforderungen des Familienlebens selbstbewusst zu stellen.
Als Trainerin für Reflexintegration helfe ich deinem Kind, damit ihm die Schule bei Konzentrationsschwächen, Lern- und motorischen Problemen leichter fällt.
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