Wer nicht will, findet Gründe. Wer will, findet Wege.

Pokémon Go. Eine Elterninfo. Mein Versuch in die Welt meiner Kinder einzutauchen.

09-2022 | Kinder, Familie

Pokémon Go. Eine Elterninfo.

Der Tag endete sehr erfreulich und noch freudiger begann der heutige. Direkt nach dem Aufstehen konnte ich meinem fünfjährigen Sohn stolz von meinem gestrigen Fang berichten: Ein 2000er Glurak mit Partyhütchen!

Er war begeistert und wiederholte mit seiner goldigen fünfjährigen Stimme lachend: Ein Glurak mit P-a-r-t-y-h-ü-t-c-h-e-n?!

Glurak mit Partyhütchen ist ein Event-Pokémon. Es gibt auch einen shiny Pikachu mit einer Torte auf dem Kopf. Beide sind sehr süß.

Wir lachten gemeinsam.

Gemeinsam mit ihm zu Lachen ist das Schönste. Lachen verbindet.

Dafür hatte sich alles gelohnt!

Pokemon Go. Eine Elterninfo. 2 Jungen schauen gespannt auf ihr Smartphone. Sie spielen Pokémon Go. Mutter und Sohn lachend Arm in Arm.

Bild von Tammy Cuff

Mein Versuch

Meine drei Jungs sind im Pokémon-Sammelkarten Fieber. Auch der Fünfjährige hat von seinen Brüdern Pokémon Karten, die er hingebungsvoll in sein Album den Punkten nach aufsteigend einordnet. Er weiß inzwischen genau, welcher Wert niedriger und welcher höher ist. Seine künftige Lehrerin wird sich über sein Zahlenverständnis freuen.

Die größeren Jungs (zehn und zwölf) spielen digital gerne Minecraft und Pokémon Go. Leider haben sie so strenge Eltern, die ihnen nur minimale Spielzeiten gönnen.

Um nicht immer nur die motzende und reglementierende nervige Mama zu sein, wollte ich mehr Verständnis aufbringen können.

Verständnis entsteht, indem man etwas ‚versteht‘. Um meine Kinder besser verstehen zu können, musste ich in ihre Welt eintauchen. Ich wollte das Was und Warum ihrer Begeisterung verstehen.

Ich erinnere mich an meine Kindheit. Meine Eltern schienen nicht wirklich Ahnung von den Dingen zu haben, mit denen ich mir meine Zeit vertrieb und sich nicht sonderlich dafür zu interessieren. Keinesfalls teilten sie meine Begeisterung – und ich weitestgehend nicht ihre. Das ist schade, denn es schaffte Distanz. Bestünde dieser Zustand in einer Partnerschaft, würden wohl beide über ihre Beziehung sagen: „wir haben uns entfremdet“. Gegenseitiges Verständnis ist wichtig für eine wertschätzende Beziehung auf Augenhöhe.

Wir Erwachsenen dürfen nicht immer nur verlangen, dass sich die Kinder auf uns einlassen – auch wir müssen uns einlassen.
Leider sind wir häufig entweder zu kopflos oder zu bequem für einen Perspektivenwechsel, weil wir in unseren alltäglichen Aufgaben gefangen sind.

Folglich unterstellen wir, dass das, womit wir unsere Zeit verbringen, was uns fasziniert und begeistert, was wir interessant finden, das Non plus Ultra sei. Möglicherweise sind wir sogar der Auffassung, es gehöre zur Allgemeinbildung dazu.

Doch wer legt sie fest? Mit jemandem aus der eigenen Generation, der den Spruch mit der Wassermelone nicht kennt oder nie Pamela Anderson im roten Badeanzug den Strand entlang rennen gesehen hat, wird man nicht gemeinsam darüber lachen können.

Mit jemandem, den meine Kinder später auf einer Party treffen und von den Dingen, die zu ihrer Kindheit und Jugend „in“ waren, keine Ahnung hat, werden sie kein verbindendes Gespräch beginnen können, das in etwa so lauten könnte: „Hey, kennst du noch die Pokémon Karten? Hast du die auch gesammelt? Und erinnerst du dich an Pokémon Go, da konnte man Letarking eine richtig gute neue Attacke beibringen. Hattest du die auch?“

Gemeinsamkeiten verbinden.

Sie liefern Gesprächsstoff.

Das seit Kurzem auch mir und meinen Kindern – Ich kann mitreden!

Alles begann mit einem Klick.

In den letzten Ferien kam mir spontan die Idee, Pokémon Go runterzuladen.

Zum einen wollte ich mich bezüglich der Bedenkenlosigkeit dieses Spiels vergewissern und zum anderen eine Gemeinsamkeit mit meinen Kindern herstellen, die ihnen Spaß macht.

Du musst nicht glauben, ich wäre ein Computerfreak und fit in solchen Dingen oder fühlte mich gar zu Computerspielen hingezogen. Nein, mich überfordert schon die Bedienung eines einfachen Joysticks, die Musik im Hintergrund macht mich kirre und meist ist das Spiel schon verloren, bis ich kapiert habe, wie es funktioniert.

Nun saß ich da mit Pokémon Go auf meinem Handy.

Ich war die Ahnungslose – meine Jungs die Chefs.

Und du glaubst gar nicht, wie viele Fragen ich hatte, die ich alle an meine Kinder richten konnte. Sie standen mir Rede und Antwort und halfen mir, mich in die Welt dieses digitalen Spiels zurechtzufinden.

Das war irgendwie cool. Normalerweise war ich diejenige, die ihnen erklärt, wie die Welt funktioniert. Jetzt war es umgekehrt.

Es war etwas entstanden, das uns jede Menge Gesprächsstoff bot. Wir diskutierten über Spielstrategien, über besondere Features, über die Stärke einzelner Pokémon und tauschten sie miteinander aus. Sie rieten mir, ins selbe Team zu gehen wie sie, damit wir gemeinsam kämpfen konnten. So besiegten wir in Italien gemeinsam eine Arena und setzten unsere Pokémon hinein. Sie kamen erst Wochen nach unserer Rückkehr aus dem Italien Urlaub zu uns zurück.

Als ich die Chance hatte, meinen ersten Relaxo zu fangen, bibberten wir gemeinsam vor meinem Handy, ob er im Ball bleiben würde. Nach vielen Würfen blieb er – und wir jubelten gemeinsam. Mein Mann war irritiert. Klar! Er war nicht Teil der Konspiration und hatte sich bezüglich dieses Themas unfreiwillig ins Abseits begeben.

So schnell geht das.

Auch unter Kindern.

Wie ging es weiter?

Schon bald hatte ich das gleiche Level erreicht wie mein mittlerer Sohn und war knapp unter dem meines Ältesten. Ein spielerischer Ehrgeiz war in mir entfacht worden: Ich wollte mehr Sternenstaub, mehr Belohnungen, bessere Pokémon, ein höheres Level erreichen, mehr Bonbons, und Pokémon weiterentwickeln, um dann noch besser zu werden. Um das zu erreichen, musste ich mich auch außer Haus an anderen Orten auf die Suche nach Pokémon machen und natürlich immer wieder zwischendurch.

Zwischendurch „mal schnell“ das Spiel zu öffnen war sowieso eine feine Ablenkung, die mir immer eine Belohnung bereithielt.

Ich könnte kurz mal schauen, ob ich noch schnell ein Pokémon fangen kann … ach ja, und dann noch checken, ob es sich weiter entwickeln lässt und mit wie vielen Sternen es bewertet ist. Ach, und Team Rocket ist ja auch gerade da. Wenn ich noch einen kurzen Kampf mache, kann ich Sternenstaub gewinnen. Den brauche ich, um Pokémon weiterzuentwickeln. Außerdem könnte ich dann vielleicht noch eine Aufgabe erledigen, um eine weitere Belohnung zu bekommen – Konzentriert an diesem Blogartikel zu schreiben war zu einer anstrengenden Herausforderung geworden.

Denn mal ehrlich, was bekomme ich von dir, liebe Leserin, was sich gut anfühlt für das Schreiben meines Artikels? … Was bekommt ein Schüler, wenn er seine Mathe Hausaufgaben erledigt hat? Wahrscheinlich nicht mal ein Lob seines Lehrers. Auf jeden Fall keinen Sternenstaub und wenn es dumm läuft, trotzdem eine schlechte Note in der Klassenarbeit. Da muss das Gehirn nicht lange überlegen, wofür es sich entscheidet!

Ein Pokemon wird in freier Wildbahn mit dem Smartphone gefangen.

Bild von Tumisu

Pokémon Go. Eine Elterninfo.

Hat sich mein Experiment gelohnt?

Im Hinblick auf die Beziehung zu meinen Kindern hat es sich sehr gelohnt. Wir hatten jede Menge Spaß miteinander und mit Pokémon Go.

Ich habe erfahren, wie das Spiel funktioniert und bin unbesorgt, weil die Kämpfe graphisch harmlos dargestellt werden. Es fließt kein Blut. Die verfügbaren Attacken heißen Matschbombe, Nassschweif, Drachenklaue, Steinkante, Knuddler oder gar Gähner.

Die Altersfreigabe variiert von 9+ im Apple und Google Play Store über PEGI 7+ bis „für alle Altersgruppen“ im Galaxy Store, weil Fantasy Charaktere dennoch Schaden erleiden.

Ein Teil des Spieles ist es, sich mit dem Handy zu bewegen. Das kann für Kinder mit mobilen Daten gefährlich werden, weil sie dadurch vom Straßenverkehr abgelenkt sein könnten. Hat das Kind eine Prepaid Karte oder ein begrenztes Datenvolumen, könnte es schnell aufgebraucht sein oder teuer werden.

Leider bietet auch dieses Spiel die Möglichkeit zu In-App Käufen. Um das zu vermeiden, kann man die Kindersicherung für Pokémon Go aktivieren.

 

Außerdem habe ich am eigenen Leib erfahren, wie es sich anfühlt, wenn die Schokoladentorte ständig vor mir steht. Die Versuchung, ein Stückchen zu nehmen, ist riesengroß – selbst, wenn das Handy im Flugmodus während konzentrierter Arbeitsphasen neben mir liegt.

Das hat mich in meiner bisherigen Handhabung im Bezug auf die Medienzeit meiner Kinder bestärkt: Sie muss eingeschränkt bleiben!

 

Die ständige Verlockung ist schrecklich und erfordert ein hohes Maß an Selbstdisziplin. Die Belohnungen, die sich die Spieleentwickler ausgedacht haben, führen in die Sucht.

Es kam schon vor, dass ich beim Spielen „erwischt“ wurde und einer meiner Jungs sagte: „Ah, Mama, bist du am Suchten!“. Das ist natürlich oberpeinlich und ich fühlte mich so richtig ertappt. Natürlich wollte ich das vertuschen und mir lag schon eine Ausrede auf den Lippen… Schwuppdiwupps war es passiert und ich war versucht zu schwindeln. Grausam!

Was habe ich aus meinem Versuch gelernt?

Ich möchte meine Kinder davor schützen, sich in der Situation wieder zu finden, mich und meinen Mann belügen zu ‚müssen‘. Und ich möchte sie davor schützen, ständig dieser Verlockung ausgesetzt zu sein. Das geht leider nur, indem ich als Erwachsene in diesem Punkt die Verantwortung übernehme und zur Not den Groll auf mich ziehe. Ja, sie sollen spielen und ihren Spaß dabei haben, aber nicht immer und zu jeder Zeit.

Mit meinem Anspruch an mich, eine verantwortungsvolle und fürsorgliche Mama zu sein, muss ich zu meinem NEIN aus Liebe stehen. Auch, wenn sich das oft hart anfühlt und ich mich Diskussionen stellen muss.

Natürlich sollen Kinder lernen, dieser Verlockung zu widerstehen. Das ist jedoch eine Frage des Alters. Wenn das Gehirn schon im Kindergarten- oder Grundschulalter auf das einfache Belohnungsprinzip konditioniert wurde, fehlt der Gegenpol. Dem Kind, bzw. seinem Gehirn wurde nie in ausreichendem Maße die Chance gegeben das Gefühl zu erlernen, etwas aus einer realen Anstrengung heraus geleistet zu haben. Es war ja alles immer so bequem und fühlte sich so gut an. Möglicherweise bekam es auch sonst noch viele Hindernisse von Mama oder Papa aus dem Weg geräumt.

Warum sollte ein Kind mit Schuleintritt das ändern wollen? Woher soll die erforderliche Anstrengungsbereitschaft kommen und die „Freude am Lernen“, wenn sich das so richtig anstrengend anfühlt? Welchen Sinn soll es darin erkennen? Nur, weil alle Erwachsenen sagen, „du lernst doch für dich und dein späteres Leben“?

Menschliches Handeln wird überwiegend durch Emotionen motiviert. Nur die wenigsten entscheiden sich für ein Auto aus reiner Vernunft. Die meisten kaufen das Auto, weil sie es schön finden, sie sich mit der Marke identifizieren oder es einen gewissen Status symbolisiert. Oder sie kaufen das E-Auto, weil sie sich dann verantwortungsvoll, ökologisch oder fortschrittlich fühlen und ihr schlechtes Gewissen damit beruhigt haben. Das sind emotionale Gründe. Rationale Argumente helfen nur selten, wenn es um Motivation geht.

Wie handle ich verantwortungsvoll?

  • Ich möchte meinen Kindern eine Begrenzung geben und unterbinde während der Hausaufgabenzeit den freien Spielzugang. Die Verlockung ist viel zu groß. Das habe ich am eigenen Leib erfahren. 
  • Bei täglichem Spiel denken Kinder jeden Tag daran und sind täglich der Versuchung ausgesetzt. Also sehe ich mich vor der Frage, ob es besser ist, meine Kinder täglich ein bisschen spielen zu lassen oder lieber seltener und dafür ein bisschen länger?
  • Ich schränke die Spielzeit mindestens eine Stunde vor der erwünschten Schlafenszeit ein. Besser sind eineinhalb Stunden. Müde Kinder sind nicht aufnahme- und konzentrationsfähig. Da hilft dann auch kein Konzentrationstraining.
  • Ballerspiele und Egoshooter dulde ich nicht unter meinem Dach. Punkt. Egal, wer das sonst spielt. Es entspricht nicht meiner Wertevorstellung.

Wie geht es weiter mit meinem Pokémon Account?

Das ist eine gute Frage. Eigentlich sollte ich Pokémon Go nun auf meinem Handy löschen, weil mein Experiment beendet ist.

Das schaffe ich allerdings nicht, weil ich so viele tolle Pokémon in meinem Beutel habe.

Also hoffe ich einfach darauf, dass meine verantwortungsbewussten Eltern mir meine Zeit sinnvoll begrenzen, sodass ich weiterhin Spaß mit dem Spiel haben kann und dennoch meine Arbeit darunter nicht leidet 😉

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Ich bin Silke Krämer.

Kinder- und Jugendcoach Professional, NLP Master und Coach, EMDR Traumatherapeutin und Gymnasiallehrerin

Ich helfe Familien, wenn es Schulstress gibt und daheim die Fetzen fliegen. Außerdem unterstützte ich Mütter und Väter dabei, sich den Herausforderungen des Familienlebens selbstbewusst zu stellen.

Als Trainerin für Reflexintegration helfe ich deinem Kind, damit ihm die Schule bei Konzentrations­schwächen, Lern- und motorischen Problemen leichter fällt.

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4 Kommentare

  1. karin

    Super Artikel Silke und weiterhin viel Spaß mit Pokemon go!

    Antworten
  2. Christina

    Ìch bin seit einiger Zeit stille Mitleserin, aber dieser Artikel veranlasst mich erstmals ein Kommentar zu hinterlassen! Ich finde den Blog und im BESONDEREN diesen Artikel einfach spitze!! Ich finde mich (und meine Familie) in den Artikeln sehr oft wieder – auch in diesem. Danke dafür!!

    Antworten
  3. Tina R.

    Toller Artikel, vielen Dank. Auch bei uns gerade neu und aktuell. Darf ich fragen, mit was deine Kinder draussen unterwegs sind, wenn sie kein Handy haben? Also auf welchem Gerät sie es spielen? iPad? Vielen Dank und lieber Gruss. Tina

    Antworten
    • Silke Krämer

      Liebe Tina,

      vielen Dank für dein Feedback zu meinem Blogbeitrag. Meine Kinder haben (mittlerweile) ein Handy, allerdings ohne mobile Daten. So nutzen sie manchmal das von der Stadt kostenlos zur Verfügung gestellte kostenlose WLAN an bestimmten Standorten oder wenn wir zusammen spielen, gebe ich ihnen einen Hotspot – entweder aufs Handy oder auf das iPad. Ich sehe darin den Vorteil, dass sie sich beim auf das Handy schauen nicht fortbewegen und so nicht vom Verkehr abgelenkt sind.

      Herzliche Grüße, Silke

      Antworten

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