Wer nicht will, findet Gründe. Wer will, findet Wege.

4+4 Gründe, warum Nein sagen so wichtig und oftmals so schwer ist

04-2023 | Kinder, Familie, Kommunikation, Persönlichkeit

Erfahre, warum es so wichtig und gleichzeitig schwer ist, Nein zu sagen und Grenzen zu setzen. Erfahre außerdem, wie du liebevoll und selbstbewusst Grenzen setzen kannst, um eine gesunde Beziehung zu deinem Kind aufzubauen. Und warum ein Nein auch ein Geschenk an dein Kind sein kann.

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Bild von Lisa Runnels

Nein sagen bedeutet Sicherheit geben

„Wissen Sie“, sagt die enttäuschte und erschöpfte Mutter zu mir:

„Am Wochenende habe ich es ihm wieder gesagt, dass er etwas für die Schule tun muss und jetzt nicht raus kann mit seinem Freund, weil er davor den ganzen Tag vor dem Computer gezockt hat.“

Und sie erklärt mir langatmig, was sie ihm gesagt hat.

Ich frage sie, ob sie ihm das zum ersten Mal gesagt hat?

Sie verneint: „Ach was, das habe ich ihm schon hundert Mal gesagt!“

Ich frage sie, warum sie es ihm dann WIEDER erklärt hat?

Sie ist verzweifelt und fragt, was sie denn stattdessen tun solle?

Dann rutscht ihr raus, dass es ihr nie besser gehen wird, solange sich ihr Sohn so verhält.

Sie ist traurig und ratlos.

Und es schwingen Vorwürfe durch den Raum.

 

Die Mutter wünscht sich von ihrem Sohn ein erwachsenes und fürsorgliches Verhalten ihr gegenüber.

Doch er verhält sich wie ein Kind – also eigentlich ganz normal.

Er bewegt sich entlang der Grenzen, die sie ihm setzt.

Da die Mutter es – aufgrund ihrer eigenen Geschichte – nicht schafft, ihrem Sohn Grenzen zu setzen, überschreitet der Junge die „Wunschgrenzen“ der Mutter. Er nimmt ihre Worte nicht mehr ernst, weil sie eine irreale, nicht vorhandene Grenze erklären.

Man kann ihm keinen Vorwurf machen.

Erschwerend kommt hinzu, dass er so langsam in ein Alter kommt, in dem man erwartet, er solle wissen, wo die Grenze sei. Aber das schafft er nicht selbständig, denn er hat es ja nicht gelernt.

Es ist ein bisschen so, als beschliesse mein Mann, ich solle abnehmen. Allerdings stellt er zu jeder Mahlzeit einen Nusskuchen vor meine Nase. Na klar nehme ich jedes Mal ein Stück – ich liebe Nusskuchen! Und es ist ja nur EIN Stückchen. Außerdem wollte er, dass ich abnehme, nicht ich. Meine Motivation ist also relativ gering.

Abends im Bett wirft er mir dann vor, dass ich so viel Kuchen gegessen habe. Dabei sollte ich doch abnehmen. Nun ja, er hat ihn mir doch hingestellt und ich wollte eigentlich gar nicht abnehmen, denn Nusskuchen essen macht mir Spaß.

So in etwa ist es mit der Zockerei.

Dem Jungen macht sie Spaß und Lernen nicht. Also zockt er lieber. Außerdem steht der Computer in seinem Zimmer – so, wie der Nusskuchen vor meiner Nase – und ist immer verfügbar.

Die Situation ist verfahren.

Natürlich wird sich der Junge wehren, wenn man ihm jetzt die Spielzeit einschränkt. Es ist hart, auf einmal seiner „Freiheiten“ beraubt zu werden.

Außerdem hat er gelernt, dass es sich lohnt zu kämpfen, denn er gewann bisher immer. Also wird es einen riesigen Aufstand geben. Das weiß seine Mutter auch und deshalb fällt es ihr noch schwerer, ein NEIN auszusprechen.

Vier Gründe, die dich am Nein sagen hindern können

Doch was ist am Nein sagen so schwierig? Es ist doch nur ein kurzes Wort mit vier Buchstaben. Wo ist das Problem?

Warum das Nein sagen vielen so schwer fällt, hat verschiedene Ursachen. Manchmal kommen auch mehrere Gründe zusammen und die meisten resultieren aus der eigenen Vergangenheit.

1. Angst vor Zurückweisung

Wenn eine Mama Angst vor Zurückweisung hat, weil sie als Kind selbst immer gefallen musste, um von ihren Eltern Zuwendung, Aufmerksamkeit und Liebe zu bekommen, ist dieses Muster sehr fest und tief verankert.

Dann fällt es ihr als erwachsene Frau immer noch schwer, jemandem etwas zu sagen, was dem Gegenüber mißfallen könnte. In solch einem Fall gehen sofort die Alarmglocken los und lösen ein Gefühl der Unsicherheit aus.

Wenn das Kind dann anfängt zu toben und zu schreien und ein Machtkampf beginnt, verliert die Mama irgendwann die Nerven. Sie fühlt sich hilflos, ohnmächtig, verzweifelt und schuldig.

Wenn das immer wieder so ist, ist es genau dieses Muster, das dann immer wieder abläuft: Die Mutter weiß, dass sie Nein-sagen sollte, sie hat jedoch unterbewusst Angst vor Zurückweisung, weil das Nein auf Ablehnung treffen wird. Sie wird unsicher. Die Unsicherheit schwächt sie. Sie gibt am Ende nach.

2. Als Kind wurde die Mama mit ihren eigenen Bedürfnissen nicht gesehen

Sie durfte nie einen Aufstand machen. Das führte dazu, dass sie als Kind gelernt hat, ihre Bedürfnisse zurück zu stecken.

Nun ist das Nein sagen zwar zum Wohle des Kindes, doch fühlt es sich für die Mama so an, als wäre es „ihr“ Nein. Wenn man nie ernst genommen und gehört wird, lernt man nicht, seine Meinung und sich selbst zu vertreten. Also wird man es als Erwachsener auch nicht schaffen.

3. Das schlechte Gewissen

Die Mama hat ein schlechtes Gewissen, weil zum Beispiel die Geburt des Kindes schwierig war, sie getrennt lebt oder eine schwere Trennungsphase hinter sich hat.

Vielleicht galt es eine Tief-Phase im Leben zu durchleben, während derer wenig Zeit und Aufmerksamkeit für das Kind blieb, vielleicht gab es eine Depression in der Familie, oder das Kind war schwer krank.

Sie denkt dann, sie müsse alles wieder gut machen und packt ihr Kind deshalb in Watte.

4. Ein zu großes Harmoniebedürfnis

Durch ein zu großes Harmoniebedürfnis vernachlässigt die Mama ihre eigenen Bedürfnisse, was Stress und psychische Belastungen verursacht. Sie geht Streit und Ärger aus dem Weg.

Ursachen können ihre eigene Erziehung und ihr soziales Umfeld sein. Ein tief verwurzeltes Muster im Erwachsenenalter entsteht oft, wenn man als Kind es anderen immer recht machen musste.

All diese Muster sitzen tief im Unterbewusstsein. Wenn man sie nicht erkennt und auflöst, werden sie immer wieder hoch kommen und der Kreislauf wird so ewig weitergehen, bis das Kind auszieht. Doch dann geht es womöglich mit dessen Kindern genauso weiter.

Schon alleine um den Kreislauf zu durchbrechen lohnt es sich, das Nein sagen zu lernen.

Was passiert, wenn man seine alten Muster aufgelöst hat? Nein, man mutiert nicht zum Oberfeldwebel, der bei jeder Gelegenheit ein Nein durch den Raum schmettert. Man wird seinem Kind eine ruhige, gelassene und liebevolle Führungsperson sein, die sieht, was es wirklich braucht. Der Blick öffnet sich nach außen. Man ist selbstbewusst, konsequent und ehrlich.

Schafft man es, im richtigen Moment ein klares, ehrliches und liebevolles Nein zu sagen, wird das Kind viel lernen.

Vier Gründe, für die es sich lohnt, Nein sagen zu lernen

Kann ein Nein ein Geschenk für ein Kind sein?

Jeder Mensch hat die Grundbedürfnisse nach Nahrung, Schlaf, Wasser und Luft.
Genauso wichtig für das gute Gedeihen eines Kindes ist es, dass seine emotionalen Grundbedürfnisse befriedigt sind.

Diese sind: Liebe, Grenzen und Sicherheit.

1. Nein sagen bedeutet Sicherheit geben

Damit ein Kind sich sicher fühlen kann, sollten seine Hauptbindungspersonen ihm gegenüber zuverlässig, berechenbar und gerecht handeln. Das gibt dem Kind die Sicherheit, die es als junger Mensch braucht. Es möchte sich in sicheren Händen wissen, sich auf seine Eltern verlassen können und nicht die Verantwortung übernehmen müssen, für die es noch gar nicht reif genug ist, sie zu tragen.

In immer der selben Situation Nein zu sagen gibt diese Sicherheit. Das Kind lernt sein Gegenüber einzuschätzen. Das spart viel Energie und Reiberei, weil es nicht ständig hinterfragen muss. Es spürt, dass Mama oder Papa hinter dem stehen, was sie sagen und das gibt einen Rahmen vor. Einen Rahmen, in dem man sich sicher bewegen kann.

Ein Nein auszusprechen, weil man gerade wütend ist, weil der Chef auf der Arbeit einem blöd kam, ist nicht das Nein, um das es hier geht. Das Nein dient nicht zur Demonstration von willkürlicher Macht.

Wir sprechen über das wegweisende Nein.

Es ist in etwa so zu verstehen, wie beim Ostereier suchen das heiß und kalt. Das kalt wird nicht als Bestrafung empfunden, sondern als Wegweiser zum Ei.

2. Nein sagen bedeutet sich ernst nehmen

Wer keine Grenze durch ein klares „nein, das will ich nicht“, einfordert, vermittelt dem anderen, dass man ihn nicht ernst nehmen muss, weil er sich selbst ja gar nicht ernst nimmt.

Das Kind spürt, dass es Mama oder Papa rumkriegen kann durch Wutausbrüche, weil sich die Eltern selbst so unsicher sind. Das Kind übernimmt dann die Führung. Es weiß, dass es schlussendlich doch als Sieger aus dem Ring gehen wird, also bleibt es eisenhart.

Wie soll es auf die Idee kommen, Mama oder Papa zu respektieren, wenn sie sich selbst nicht respektieren?

3. Ein Nein stärkt die Resilienz

Impulskontrolle und Widerstandskraft bzw. Resilienz eines Kindes werden gestärkt, wenn es lernt damit zu leben, dass sich seine Wünsche nicht immer verwirklichen lassen.

Nur durch ein Nein kann es lernen, ein Nein zu akzeptieren.

Sicherlich wird es später im Leben mit einigen Neins klar kommen müssen, sodass sich diese Lektion auf jeden Fall lohnt.

4. Lernen, Grenzen zu respektieren

Im sozialen Miteinander ist es essentiell, die Grenzen der anderen respektieren zu können.

Wer aufgewachsen ist, indem er nur seine eigenen Bedürfnisse einfordert, jedoch nie auf die der anderen eingeht und deren Grenzen respektiert, wird es später schwer haben. Sei es bei der Teamarbeit im Job, im Sportverein oder im Freundeskreis.

Im schlimmsten Fall wird es ausgeschlossen werden.

Man tut dem Kind damit also wirklich keinen Gefallen.

Das Nein sagen lernen und ausprobieren

Auch wenn es viele Erklärungen gibt, warum man nicht Nein sagen kann, ist die Schwere der Konsequenz des Nicht-Nein-Sagens offensichtlich.

Meine Auflistung der Gründe, warum sich Nein sagen immer wieder lohnt, möchte dir dabei helfen, dich zu motivieren, nach deinen eigenen Mustern zu suchen, um sie auflösen zu können.

Nicht immer ist das einfach – und es ist möglich!

Übrigens gibt es auch Kinder, die lange Erklärungen hassen und eine klare Ansage bevorzugen. Probiere doch mal aus, welcher Typ dein Kind ist. Sag einfach mal nein und mache einen Punkt dahinter.

Warte ab, was passiert.

Vielleicht klappt es ja sogar und es ist viel einfacher, als du jemals gewagt hattest zu hoffen. Und du wirst sehen, dass jedes weitere nein immer leichter werden wird.

Gleichzeitig wird sich dein Kind entspannen, weil du zu einer zuverlässigen, berechenbaren und respektvollen Führungsperson geworden bist.

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Ich bin Silke Krämer.

Kinder- und Jugendcoach Professional, NLP Master und Coach, EMDR Traumatherapeutin und Gymnasiallehrerin

Ich helfe Familien, wenn es Schulstress gibt und daheim die Fetzen fliegen. Außerdem unterstützte ich Mütter und Väter dabei, sich den Herausforderungen des Familienlebens selbstbewusst zu stellen.

Als Trainerin für Reflexintegration helfe ich deinem Kind, damit ihm die Schule bei Konzentrations­schwächen, Lern- und motorischen Problemen leichter fällt.

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2 Kommentare

  1. Constanze

    Vielen Dank für diesen gerade am heutigen Tag für mich sehr passenden Beitrag. Heute Morgen hatte ich mit meiner Tochter wieder Diskussionen zum Thema Lernen. Bei uns ist es nicht der Computer, sondern sie malt und bastelt lieber, statt zu lernen. Und wenn sie oder ich dann feststellen, dass am Ende der Ferien die Mathekenntnisse wieder unauffindbar sind und der Kopf wie leer gefegt ist, dann ist das Drama immer groß. Leider hat meine Tochter keine Motivation zum Lernen, weil das ja anstrengend ist. Es klappt immer nur, wenn wir Streit hatten. Aber ich mag nicht immer streiten. Die Gründe, warum es mir schwer fällt „nein“ zu sagen passen sehr gut auf mich. Wahrscheinlich sollte ich das für mein ganzes Leben nochmal hinterfragen. Denn bei der Arbeit versuche ich auch immer alles, damit andere zufrieden sind und ich „endlich“ das verdiente Lob bekomme, das ich selbst als Kind nie bekommen habe.
    Vielen Dank liebe Silke für diesen Denkanstoß!

    Antworten
    • Silke Krämer

      Liebe Constanze,
      ich danke dir von Herzen für deine Offenheit und deine wertschätzenden Worte. Ich freue mich sehr, dass ich einen Impuls geben konnte, genauer bei dir selbst hinzuschauen. Doch sei nicht zu streng und kritisch mit dir, bzw. verurteile dich nicht dafür. Der erste Schritt ist es, ganz neutral die eigenen Muster zu erkennen, sie dann anzunehmen, um sie schlussendlich auflösen zu können.
      Ich wünsche dir eine spannende und transformierende Reise,
      herzliche Grüße
      Silke

      Antworten

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