Wer nicht will, findet Gründe. Wer will, findet Wege.

Streit mit meinem Kind: So vermeidest du die Eskalation.

02-2021 | Jugendliche, Familie, Kinder, Kommunikation, Persönlichkeit

In Streitsituationen geht oft alles ganz schnell: Einer macht eine unvorsichtige Bemerkung, die zweite Person greift dies als Attacke auf und plötzlich explodiert die Stimmung. Oft rutschen dann böse Kommentare heraus, die man nicht mehr zurücknehmen kann, so sehr man sich dies später mit einem klaren Kopf auch wünscht.

Du hast das bestimmt auch schon einmal erlebt. Während du vielleicht schon ein Bild von solch einer Situation in deinem Kopf hast, fragst du dich, wie du das eigentlich vermeiden kannst. Meistens fühlen wir uns doch schlecht nach solch einer Eskalation.

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Streit und Stressreflexe: Werde dir deiner Ur-Trigger bewusst

Wenn du solche Eskalationen vermeiden möchtest, ist es zuerst einmal wichtig, dass du dir darüber bewusst wirst wo die Auslöser, oder Trigger, einer extremen Reaktion bei dir selber liegen. Dann kann im nächsten Schritt daran gearbeitet werden, diesen Triggern ihre emotionale Macht zu nehmen und dadurch ungewollt starke Reaktionen besser kontrollieren zu können – schließlich sind die negativen Gefühle in Streitsituationen für keinen der Beteiligten angenehm.

Um zu erklären, wie tief solche emotionalen Reaktionen liegen, möchte ich mit einer kleinen Geschichte über sogenannte Stressreflexe beginnen: Stell dir vor, du bist als Steinzeit-Kind (denn aus dieser Zeit stammen ja die Gehirnstrukturen, die wir heute noch haben) mit deinen Eltern im Wald zum Beeren sammeln unterwegs.

Plötzlich siehst du auf der nächsten Lichtung einen großen Bären und gleichzeitig kommt deine Mutter und warnt dich, dass du sofort ganz still sein musst. Denn wenn der Bär dich sieht, wird er dich fressen – ein Ausgang, den jedes Gehirn evolutionsbedingt natürlich vermeiden möchte. In diesem Moment lernt dein Gehirn also, über die Angst deiner dich warnenden Mutter, dass Bären gefährlich sind.

Der Bär wird zu einem Trigger des Stressreflexes und wenn du das nächste Mal einen Bären siehst, wird dein sympathisches Nervensystem seine Angst-Alarmglocken läuten: vielleicht schlägt das Herz spürbar schneller, die Atemfrequenz erhöht sich, die Hände werden schwitzig.

Im Hintergrund schüttet dieses System jetzt massig die Stresshormone Adrenalin und Cortisol aus und koppelt sofort den Kortex (auch Großhirnrinde) ab, der für logisches und geplantes Denken zuständig ist. Alle Funktionen, die nicht direkt überlebensnotwendig sind (zum Beispiel die Verdauung) werden eingestellt. Schließlich geht es jetzt darum, sicher zu bleiben und nicht erst einmal darüber nachzudenken ob dieser hellere, flauschige Bär vielleicht schon zu Mittag gegessen hat und man ihn also doch mal streicheln könnte – nein, das Gehirn hat nur ein Ziel: Überleben!

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Bild von Jdaypix

Blackout: Das neue Totstellen

Im 21. Jahrhundert kommen einem solche Beispiele natürlich etwas extrem vor, denn glücklicherweise geht es in Konflikt- und Stresssituationen nicht mehr oft um das bloße Überleben selber. Der Trigger-Mechanismus des sympathischen Nervensystems funktioniert aber trotzdem auf die gleiche Art und Weise und sorgt dafür, dass deine Gefühle stärker sind als das logische Denken.

Stell dir zum Beispiel dein Kind in einer wichtigen Klassenarbeit vor: neben dem Zeitdruck und der Hektik, die wir als Erwachsene natürlich mit dieser Situation verbinden, ist es gut möglich, dass dein Kind sich auch komplett hilflos fühlt. Wie der Bär im Wald wird die Klassenarbeit zu einem Trigger und weil man in einem Klassenzimmer mit einer ‚bösen‘ Klassenarbeit weder gut kämpfen noch wegrennen kann, bleibt nur noch eines: totstellen.

Die Stresshormone, die das sympathische Nervensystem ausschüttet, sind so stark, dass es zu einem Blackout (dem „neuen Totstellen“) kommt und das Gelernte gar nicht mehr abgerufen werden kann.

Auch wenn dein Kind sich rational vielleicht sogar darüber bewusst ist, dass es nicht in Gefahr ist, so ist der Pfad dieser Gefühle so tief in die Evolution unserer Gehirne eingetrampelt, dass es viel bewusste Anstrengung kostet dem Gehirn zu zeigen, dass es nicht in Lebensgefahr schwebt.

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Hast du oder dein Kind immer die gleichen Trigger?

Wie vorhin beschrieben spielen die Trigger als Auslöser starker Reaktionen auch in Streitsituationen eine wichtige Rolle: beobachte einmal, wann ein Konflikt mit deinem Kind eskaliert. Häufig sind es ähnliche Auslöser – ein Blick, ein Satz, eine Geste – die uns immer wieder auf die Palme bringen.

Auch bei sogenannten psychologischen Spielchen kann das passieren. Ein klassisches Beispiel hierfür wäre, wenn dein Kind von der Schule nach Hause kommt und überhaupt gar nicht auf deine Fragen zu den Ereignissen des Tages oder den anstehenden Hausaufgaben einsteigt: schnell wirst du dich durch dieses Abprallen-lassen deiner Fragen frustriert fühlen und vielleicht entsteht dadurch sogar ein Streit.

Dabei geht es dann gar nicht mehr um die vordergründigen, organisatorischen Fragen, denn wenn dein Kind dir sagen würde: ‚Mama, ich bin jetzt einfach zu müde und möchte das später besprechen.‘, würdest du dich gleich anders fühlen.

Sobald der Trigger deine emotionale Reaktion ausgelöst hat geht es vielmehr darum, wie du dich fühlst, weil dein Gesprächspartner nicht auf dich einsteigt.

So unterbrichst du den Kreislauf

Wenn du also diese Trigger bei dir selber beobachtest und kennenlernst, wird das helfen den Kreislauf zu unterbrechen, der letztendlich zu der für dich und andere negativen Reaktion und zum Streit führt.

Eine gute Möglichkeit um diesen psychologischen ‚Muskel‘ zu trainieren, der den negativen Kreislauf rechtzeitig unterbrechen kann ist die Traumreise.

Hierfür möchte ich dich dazu einladen, dir einen sicheren Ort in deinem Kopf zu schaffen. Wähle einen Ort, der dir nicht verloren gehen kann: dein altes Kinderzimmer das es schon nicht mehr gibt ist also geeignet, während dein jetziges Schlafzimmer das du durch einen Umzug ‚verlieren‘ könntest nicht verwendet werden sollte.

An deinem Ort solltest du alleine sein und keine lebenden Personen oder Haustiere mitnehmen. Falls du doch unbedingt Gesellschaft möchtest, sollte diese in Form von Wesen sein, die es nicht gibt oder die nicht mehr auf dieser Welt sind. Wenn du dir deinen Ort klar vorstellen kannst, bringe die Gefühle dazu, die dir in der Konfliktsituation fehlen und dir helfen würden: möchtest du dich ruhiger fühlen? Souverän und gelassen? Oder frei statt eingeengt und gefangen?

Nimm mit, was auch immer dir nützlich erscheint. Mache diese Gefühle ganz groß und konzentriere dich darauf. Dann kannst du die Traumreise beginnen. Am besten sollte sie für drei Wochen jeden Tag ein Mal gemacht werden.

Wenn du jetzt das nächste Mal in eine Situation kommst, in der es einen Trigger für dich gibt, greife auf dieses Training aus der Traumreise zurück und rufe deinen sicheren Ort ab.

Manchmal kann eine räumliche Trennung, wie ein kurzer Ausflug zur Toilette, auch hilfreich sein, damit du dort an deinen sicheren Ort gehen kannst. Je öfter du an deinen sicheren Ort gehst, desto schneller kannst du ihn dann als Anker in schwierigen Situationen wiederfinden und ihn nutzen, um dich entspannter zu fühlen.

Das Abrufen der positiven Gefühle deines sicheren Ortes wird dein sympathisches Nervensystem wieder beruhigen, sodass es aufhört Adrenalin und Cortisol auszuschütten: du wirst ruhiger und kannst wieder klar denken.

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Worum ging es eigentlich im letzten Streit?

Vielleicht kannst du dann auch erkennen, dass Konflikte oft gar nicht das sind, wofür wir sie halten und dass die Wut über eine freche Antwort weniger mit der Antwort selber zu tun hat, als mit dem Gefühl der Machtlosigkeit, die sie in einem auslöst.

Nutze die Traumreise-Übung für dich und für dein Kind also auch, um euch über eure genauen Gefühle bewusst zu werden: es gibt viel mehr als gut und schlecht, wütend und glücklich. Sammle Gefühls-Adjektive wie missachtet, gekränkt, vernachlässigt, nicht wertgeschätzt oder ungeliebt, um ganz genau kennen zu lernen und auszudrücken, wie es dir eigentlich geht.

Jetzt bist du gewappnet

Nun kennst du deine eigenen Gefühle und hast deinen sicheren Ort. Du bist gewappnet und so lassen sich Streitsituationen, in denen dein Gehirn Alarm schlägt bewältigen und du kannst den negativen Kreislauf unterbrechen!

Während du nun möglicherweise noch einmal an die Situation, die du dir beim Lesen der Einleitung des Beitrags vorgestellt hast denkst, kannst du dir jetzt schon vorstellen, wie du die Eskalation erfolgreich vermeidest und dich somit besser fühlst. Bist du bereit?

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Ich bin Silke Krämer.

Kinder- und Jugendcoach Professional, NLP Master und Coach, EMDR Traumatherapeutin und Gymnasiallehrerin

Ich helfe Familien, wenn es Schulstress gibt und daheim die Fetzen fliegen. Außerdem unterstützte ich Mütter und Väter dabei, sich den Herausforderungen des Familienlebens selbstbewusst zu stellen.

Als Trainerin für Reflexintegration helfe ich deinem Kind, damit ihm die Schule bei Konzentrations­schwächen, Lern- und motorischen Problemen leichter fällt.

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3 Kommentare

  1. Sonaholic

    Lieben Dank, hab mir diesen Beitrag im Browser ewig offen gelassen um ihn in Ruhe zu lesen. Nach der Eskalation eben und weil gerade alle aus dem Haus sind, passte es jetzt perfekt. Wir werden das mit dem sicheren Ort ausprobieren. Danke für diesen Intake!

    Antworten
  2. Silke

    Liebe Sonaholic,
    ich freue mich, wenn ich helfen kann! Herzliche Grüße, Silke

    Antworten
  3. Sandra

    Liebe Silke,

    Ich werde diesen Tipp ganz sicher bei der nächsten Attacke anwenden und ihn auch unbedingt an meinen Mann weitergeben. Bin gespannt, ob es funktioniert.

    Vielen Dank!
    Sandra

    Antworten

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