Wer nicht will, findet Gründe. Wer will, findet Wege.

So viel Wut und Trauer bei Kindern – Teil I: Wie gehen Eltern gut mit negativen Gefühlen ihrer Kinder um?

12-2020 | Jugendliche, Familie, Kinder, Kommunikation, Persönlichkeit

Kindliche Wutausbrüche zu ertragen ist nicht leicht – erst recht nicht, wenn sie öffentlich auf dem Boden des Supermarkts ausbrechen. Viele Eltern wünschen sich, mit negativen Gefühlen ihrer Kinder gut umgehen zu können. Dabei geht es nicht nur um Wut, sondern generell um negative Gefühle. Für die Entwicklung des Kindes ist es entscheidend, wie Eltern reagieren – also wiederum deren eigener Umgang mit negativen Gefühlen. Dieser Blogbeitrag entstand auf Wunsch der Kursteilnehmer*innen meines aktuellen Rexi Rockstars Onlinekurses.

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Bild von Arhagus Budy

In emotional aufgeladenen Situationen, wenn die negativen Gefühle nur so umherfliegen, kommt es mir persönlich oft so vor als würde ich vor einer Wand stehen. Egal mit wem ich mich streite und egal wie sehr ich diese Person liebe und schätze, so fällt es doch immer wieder schwer, mit Wut umzugehen. Niemand mag negative Gefühle und noch weniger angenehm ist es, wenn man sich selber als Grund für den Zorn einer anderen Person sieht.

Positive Gefühle – negative Gefühle. Eine Klassifizierung.

Um von dieser verzwickten Situation etwas Abstand und Verständnis gewinnen zu können, möchte ich an dieser Stelle im übertragenen Sinne einen Schritt zurück machen und Gefühle generell betrachten: Seit Anbeginn der Zeit teilen wir Menschen diese unsichtbaren (und manchmal unbeschreiblichen) Regungen in unserem Inneren in ‚Gut‘ und ‚Schlecht‘ auf.

Woher das kommt, weiß niemand so genau, aber es ist eindeutig, dass wir schlechte Gefühle intuitiv vermeiden und dass sie auch auf einer gesellschaftlichen Ebene unerwünscht sind. Offene Bekundungen von Trauer, Wut und all den anderen ‚bösen‘ Gefühlen sind in der westlichen Gesellschaft nicht gerne gesehen und das wird uns von Kindesbeinen an vermittelt.

Während wir es gerne sehen, wenn sich zum Beispiel jemand öffentlich freut, so werden die meisten von uns eher Abneigung oder zumindest Unsicherheit gegenüber einer Person spüren, die Angst, Traurigkeit, Enttäuschung oder Niedergeschlagenheit ganz direkt zeigt. Mit diesen Gefühlen werden ja sogar schlechte Charaktereigenschaften wie Schwäche oder mangelnde Männlichkeit verbunden. Und das, obwohl ein jeder von uns solche negativen Gefühle kennt und in sich trägt.

Erst ganz langsam tritt ein gesellschaftlicher Wandel ein und immer mehr Personen äußern sich öffentlich über „negative“ Lebensphasen. Wenn sie es geschafft hat, das tiefe Tal zu überwinden, hat sie meist eine Art höheres Level in der Persönlichkeitsentwicklung erreicht.

Negative Gefühle haben ihren Sinn – aber nicht alle

Durch diese ursprüngliche gesellschaftliche Prägung bedingt lernen leider viele von uns gar nicht erst, mit ‚schlechten‘ Gefühlen umzugehen. Weil sie sich intuitiv negativ anfühlen und gesellschaftlich unerwünscht sind, werden sie verdrängt und ‚unter den Teppich gefegt‘.

Doch je mehr dieser Probleme man so unter den sprichwörtlichen Teppich fegt, desto größer wird natürlich der Haufen, der sich da ansammelt – und irgendwann ist die Erhebung so groß, dass man jedes Mal darüber stolpert, wenn man eigentlich ganz woanders hinlaufen möchte.

Wenn man nicht gelernt hat, negativen Gefühlen ihren Platz zu geben und diese genau zu beobachten, dann vermischt sich das Verdrängen von Gefühlen und ihren Körpersignalen. Wir können nicht mehr unterscheiden, welches negative Gefühl begründet ist (zum Beispiel die Angst vor dem Überqueren einer großen Straße, die uns ja schützt) und welches negative Gefühl aus den Untiefen unseres Gehirns uns unbegründet Probleme bereitet.

Und wenn es dir nie beigebracht wurde, wie du mit deinen eigenen negativen Gefühlen umgehen kannst, dann wird es dir natürlich auch sehr schwerfallen, die deines Kindes zu verstehen und anzugehen.

Wie reagierst du auf die negativen Gefühle deiner Kinder?

Erinnere dich einmal an deine Kindheit zurück – die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass dir eine negativ-emotionsgeladene Situation einfällt, in der deine Eltern oder andere wichtige Bezugspersonen eine Strategie angewendet haben, um deine negativen Gefühle zu verdrängen. Und das nicht etwa mit boshaftem Vorsatz, sondern ganz einfach, weil es unangenehm ist, wenn man jemand anderen emotional leiden sieht.

Gefühle aufbauschen

Es könnte sein, dass jemand um dich herum die Situation durch aufgebauschtes Mitgefühl viel größer werden ließ (zum Beispiel durch ein schockiertes „Oh Gott, WAS ist dir gerade passiert?!“) und so die negativen Gefühle im Nachhinein noch böser erschienen.

Gefühle kleinreden

Vielleicht passierte auch das Gegenteil und die Gefühle wurden kleingeredet („So schlimm kann es doch gar nicht sein…“) oder beschämend ins Lächerliche gezogen („Jetzt mach doch nicht so ein Theater, du bist ja kein Baby mehr“).

Für negative Gefühle Bestrafen

Aber auch Abwendung durch Bestrafen von negativen Gefühlen, im schlimmsten Fall durch Auszeiten oder Einsperren im Zimmer, ist solch eine Strategie. Je jünger das Kind ist, umso belastender wird es diese Reaktion auf seine Hilflosigkeit wahrnehmen.

Von Gefühlen ablenken

Eine weitere Möglichkeit ist die klassische Ablenkung, zum Beispiel mit einem neuen Keks, wenn das Eis heruntergefallen ist.

Blickst du aus heutiger Sicht in diese Situationen, ist es nicht schwer zu erkennen, wie stark diese Reaktionen von der gesellschaftlichen Prägung und dem Vermeiden negativer Gefühle geprägt sind!

Bei jeder der oben beschriebenen Strategien im Umgang mit negativen Gefühlen bekommt das Kind das Gefühl , dass es nicht OK ist, bzw. seine Reaktion nicht OK ist. Und / oder es fühlt sich nicht gesehen und in seiner Gesamtheit wahrgenommen. Schließlich entspricht die Reaktion seines Gegenübers nicht seinem aktuellen Erleben.

Deine innere Haltung ist wichtig

Gerade in Bezug auf Trauer, aber auch bei Wutanfällen oder Ähnlichem, ist es unglaublich wichtig, unseren eigenen negativen Gefühlen und auch denen unserer Kinder Raum zu geben. Auch wenn dies herzzerbrechend klingt, können wir unsere geliebten Kinder nicht vor ihnen bewahren – Enttäuschung über eine schlechte Schulnote oder der Tod eines geliebten Haustieres sind Teil ihres Lebens.

Es gehört einfach dazu, auch mal wütend oder traurig zu sein. Die verschiedenen Stadien dieser negativen Gefühle müssen durchlebt werden, um sie verarbeiten zu können. Nur so kann die Seele dann Ruhe finden und damit abschließen.

 Du kannst deinem Kind unglaublich helfen, wenn du ihm vorlebst, dass deine und auch seine positiven und negativen Gefühle akzeptiert werden. Sie sind OK und je besser du sie kennenlernst und dich mit ihnen anfreundest, desto einfacher ist es, in verzwickten und negativ-emotionsgeladenen Situationen den Abstand zu gewinnen und mit Verständnis (einem selber und der anderen Person gegenüber!) zu reagieren. Dabei spielt deine eigene innere Haltung eine große Rolle, da du sie nach außen spiegelst.

Entscheidend ist schließlich nicht, immer nur gute Gefühle zu haben, sondern wie wir mit all unseren Gefühlen und auch denen unserer Kinder umgehen!

Im nächsten Teil dieses Blogs gebe ich dir ein paar konkrete Übungen und Lösungsansätze mit an die Hand, wie du all dies im Alltag mit deinem Kind umsetzen kannst.

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Ich bin Silke Krämer.

Kinder- und Jugendcoach Professional, NLP Master und Coach, EMDR Traumatherapeutin und Gymnasiallehrerin

Ich helfe Familien, wenn es Schulstress gibt und daheim die Fetzen fliegen. Außerdem unterstützte ich Mütter und Väter dabei, sich den Herausforderungen des Familienlebens selbstbewusst zu stellen.

Als Trainerin für Reflexintegration helfe ich deinem Kind, damit ihm die Schule bei Konzentrations­schwächen, Lern- und motorischen Problemen leichter fällt.

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2 Kommentare

  1. Sabine Rziha

    Ich finde alles was ich bis jetzt von dir gelesen habe interessant und aufschlussreich. Du erklärst durch einfache klare Sätze. Das finde ich sehr hilfreich. Ich bin von Beruf Sozialpädagogin und gebe PEKiP Kurse aber auch andere Elternkurse wid beispielsweise „Starke Elten – Starke Kinder“.
    Durch deine Veröffentlichungen über das Thema Reflexintegration habe ich mich sehr mit dem Thema auch in meiner beruflichen Praxis auseinander gesetzt.

    Lieben Gruß, Sabine

    Antworten
    • Silke Krämer

      Liebe Sabine,

      vielen Dank für deine lieben Worte.

      Es freut mich, dass dir mein Artikel als hilfreich erscheint und du selbst Eltern und Kinder stärkst. Wenn du dich noch mehr mit dem Thema Reflexintegration auseinander setzten möchtest, wäre vielleicht meine Ausbildung für dich bei Gelegenheit interessant?

      Herzliche Grüße,

      Silke

      Antworten

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